Kombi-Weltcup in Seefeld oder
ein traumhafter Tag in den Tiroler Alpen
Zweimal war ich schon bei den Kombis gewesen, und zweimal war das
Wetter schlecht gewesen. Ich glaubte schon nicht mehr daran, dass die
Verbindung NoKo + Sonne überhaupt möglich sei.
Doch der 29.01.06 belehrte mich eines Besseren. Der Weltcup der
Winterzweikämpfer machte in Tirol Station und ich beschloss, dass ich dabei
sein müsste.
Lange nach preisgünstigen Zugverbindungen gesucht, schließlich
auch gefunden...
Morgenstund hat Gold – bzw. Kombi im Mund...
So fiel ich am Sonntagmorgen um 4:30 Uhr todmüde aus dem Bett,
aber was tut man nicht alles um die Helden zu sehen...
Gegen halb 6 verließ ich das Haus, schlurfte durch die kühle
bayrische Winternacht zur S-Bahn, um halb 7 fuhr mein Zug am Münchner
Hauptbahnhof. Nach dem Erwerb einer Breze wanderte ich zum Gleis 32, der Zug
war zum Glück schon da und ich fiel auf eine der ausgeleierten Sitzbänke. Der
Zug fuhr über Garmisch-Partenkirchen, ein Blick auf die Schanzen.
Nein, der Puijo und seine Schanzen
sind schöner. Jawollja. Weiter durchs tiefverschneite Werdenfelser Land über
Klais nach Mittenwald. Ich stieg aus und suchte die Bushaltestelle, von wo aus
es weiter gehen sollte nach Seefeld. Der Föhnwind blies mit aller Macht und der
Schnee taute. Der Bus kam pünktlich um 9:06 Uhr, für 3,40 € ging’s weiter ins
schöne Tirol.
In der Zwischenzeit war auch Lowi gegen 6:30 aus ihrem Bette
geklettert. Nach Morgenwäsche und Frühstück verließ sie so gegen 7:15 ihre
Wohnung und machte sich auf den Weg zum Bus. Dort musste sie feststellen, dass
bis zu dessen Fahrt noch etwas Zeit war, also beschloss sie noch ein Stückchen
stadteinwärts zu wandern. Schlussendlich legte sie die ganze Strecke zu Fuß
zurück. Am Bahnhof angekommen stand der Zug nach München über Seefeld bereits
am Gleis, und somit konnte sie sich bereits ein schönes Plätzchen für die
halbstündige Zugfahrt rauf ins Gebirge suchen.
Am Bahnhof von Seefeld traf ich um halb 10 auf Lowi und zusammen
suchten wir das Stadion. Nach nur einmal verlaufen fanden wir es auch, etwa um
10 Uhr waren wir vor Ort.
5 € kostete der Eintritt und wir fanden auch schnell einen guten
Platz am Schanzenauslauf, direkt am Weg, den die Athleten zurück nehmen
mussten.
Liebenswertes Österreich und schweigsame coole Finnen
Es lief gerade der Probedurchgang und wir amüsierten uns über die
beiden Sprecher, die sich ein ums andere Mal versprachen. Den Wettkampf
verlegten sie nach Saalfelden usw. usf...
Aber es war auch typisch österreichisch, familiär, liebenswürdig,
nicht so aufgeblasen wie in Deutschland! =)
Da wurden die Familien der österr. Kombis alle persönlich begrüßt
(„und für den Michi Gruber freuen sich die Mama und der Papa und die Schwester
und der Kreiner David hat sogar den Hund dabei...“).
Dann spielten sie noch eine Aufzeichnung ein, da wurden wohl am
Tag zuvor Fans befragt, was sie über den Bewerb Gundersen wüssten – wir hielten
uns, wie auch die Umstehenden, den Bauch vor Lachen.
Dann ging endlich der Wettkampf los und wir feuerten besonders die
Finnen an. Nach einer Weile stellten wir fest, dass die heute nicht aktiven
Finnen Jaakko Tallus und Anssi Koivuranta sowie ein Wachser ebenfalls am
Auslauf standen und mehr oder weniger interessiert dem Bewerb folgten. Anssi
machte einen auf „It’s cool man“ und lief selbst im Schatten mit Sonnenbrille
herum, dazu finnentypisch Mütze auf dem Kopf. Und die ganze Zeit Stöpsel im
Ohr. Was er wohl höre fragten wir uns... ob ihm die an der Schanze gespielte
Musik wohl nicht tauge?
Wenig später ließ sich diese Frage mit einem eindeutigen Ja
beantworten – zum Sprung eines Österreichers ertönte „Blau blau blau blüht der
Enzian“. Das Publikum brüllte fast vor Lachen! Wenig später kam dann „Des is
koa Radio, des is koa Video, des is koa Fernsehapparat zum einischaun“.
Aufgrund der Textzeile „Des is sicher wieder was von die Japaner“ spielte man
es ein als ein Japaner an der Reihe war. Auch dieser Hit der Schürzenjäger traf
den Musikgeschmack des jungen Herrn Koivuranta offenbar nicht so ganz...er gab
weiterhin den Steiffbären (Knopf im Ohr).
Langsam wurde es immer wärmer, die Sonne kam über die Berge, der
Himmel war strahlend blau, keine Wolke zu sehen, dazu das verschneite Seefelder
Hochplateau... der Herrgott war an diesem Tage ganz sicher ein Tiroler...
Zwischen dem ersten und zweiten Durchgang begannen Anssi und
Jaakko ihre gemeinsamen Spaziergänge, welche den ganzen Tag anhalten sollten.
Vielleicht hatten sie auch Weisung bekommen, aufeinander aufzupassen, nicht das
einer von ihnen noch verloren ginge...
Sie standen inmitten der Zuschauer – völlig unbehelligt
wohlgemerkt. Nach einer Weile setzten sie sich in den Schnee, aber Jaakko stand
sofort wieder auf – offenbar konnte er Sitzenderweise nichts sehen!
Sommer mitten im Winter
Die beiden genossen offenbar die warme Tiroler Sonne, für die
Finnen schien es wohl unglaublich, dass es mitten im Winter so warm und sonnig
sein konnte – vor allem für Anssi, der ja im finnischen Norden daheim ist, wo
die Polarnacht im Winter das Land für 53 lange Tage verdunkelt. Als die beiden
zu Ende der Pause wieder zum Schanzenauslauf zurückgingen, passte Lowi haargenau
auf, denn sie brauchte ja unbedingt noch ein Autogramm von Jaakko Tallus, denn
der war ihr am Vortag ja entkommen. Also verschwand sie mal für 2 Minuten
mitten ins Getümmel, und kam kurze Zeit freudestrahlend zurück – denn sie hielt
endlich das heiß ersehnte Autogramm von ihrem kleinen Liebling in den Händen,
bzw. in ihrem Autogrammbüchlein.
Insgesamt waren die Sportler sehr zugänglich, für die Fans, ich
bekam Autogramme von Haseney, Moan, Manninen und Kaitainen.
Nachdem sich Jaakko und Anssi am Verpflegungsstand noch mit etwas
Jause eingedeckt hatten, nahmen sie wieder ihren Stammplatz im Auslauf ein.
Ville Kantee (ganz in schwarz gewandet), der inzwischen seine Arbeit mit dem
Wachsen der Sprungskier beendet hatte gesellte sich zu ihnen. Und dieses
Grüppchen wuchs stetig an, denn die anderen Finnen leisteten ihnen
Gesellschaft, nachdem diese ihren zweiten Sprung mehr oder minder erfolgreich
beendet und sich umgezogen hatten. Janne ebenfalls mit Sonnenbrille, Mütze und
Knopf im Ohr. Er wollte wohl auch kein althergebrachtes Tiroler Liedgut hören!
Vor allem die Videowand schien Herrn Kantee total zu faszinieren, dauernd
machte er Fotos davon – wohlgemerkt immer dann, wenn Ösis sprangen. Wenn ein
Finne kam, schauten die Burschn weg, den Sprüngen der Österreicher schauten sie
hingegen immer alle hinterher. Wollten sie sich was abschauen? Werksspionage?
Für uns beide war es deshalb nicht mehr ganz so leicht das
Springen weiterhin aufmerksam zu verfolgen, denn mit einem Auge schielten wir
immer auf das Finnengrüppchen.
Dennoch entging uns nicht, dass nach dem Springen Christoph
„Bieles“ Bieler vorne war, Hannu hatte als sechster 2:18 min Rückstand. Dennoch
waren wir beide uns sicher, dass Hannu das Ding schon schaukeln würde, und
somit nach Ende des Rennens als Gesamtweltcupsieger feststand.
Ein langer Tag für Sportler und Fans in Tirol
Inzwischen war es ca. 13.00 Uhr und wir schauten noch kurz zur
Langlaufstrecke, um einen guten Platz für 16 Uhr auszukundschaften. Die
Mannschaften packten ihr Graffl zam und fuhren in ihre Hotels. Da auch wir
keine Lust hatten, drei Stunden im Stadion zu warten, bis es weitergehen würde,
machten wir uns auf den Weg ins Dorf. Im Gegensatz zu Deutschland konnte man
das Stadion verlassen und kam später sogar wieder rein. Kein „Bei Verlassen des
Stadions verliert die Karte ihre Gültigkeit“.
Am Ausgang meinte man dazu: „Freundlich lächeln und Karte
hochhalten, dann kommt’s wieder rein“. So gehts auch!
Am Skilift angelangt, trafen wir auf einen Mann, welcher einen
mittelgroßen Bernhardiner mit Leberkäs fütterte. Der Hund war total lieb, gab
sogar Pfötchen. Wir schauten ganz begeistert zu, dachten uns der Hund ist aber
lieb. Plötzlich meinte der Mann dann zu uns: „G’hört der euch?“ Da wir aber
kein Hundefutter hatten und auch keinen Bernhardiner haben wollten, wenigstens
im Moment nicht, setzten wir unseren Weg fort.
Wir wanderten durchs Örtchen, kauften ein wenig Proviant
(Fruchtmolke von Neumis Sponsor), quatschten über Gott und die Welt und
ungesunde Babynahrung und machten uns dann wieder auf den Weg zum Stadion. Dort
zog ich erst mal meine Skihose aus, weil es so warm war. Gerade als wir unseren
vorher ausgespähten Platz einnahmen schnallten Anssi und Jaakko ihre Skier ab.
Die beiden hatten wohl die Pause genützt und eine kleine Trainingseinheit im
sommerlichen, österreichischen Winter eingelegt. Kurz darauf verließen die
beiden das Stadion und fuhren dann ins Hotel, wohl um zu duschen. Die beiden
sah man am Sonntag immer und überall zusammen rumlaufen. Lowi meinte, die
beiden sehen aus wie ein altes Ehepaar. Immer noch eine Stunde Zeit bis zum
Start. Wir nützten die Zeit und schauten Fotos aus Finnland an, den Finnen beim
sich-warmlaufen zu und hatten jede Menge Spaß. An der Strecke stehend konnte
ich dann noch auf meine Mütze und die Handschuhe verzichten weil es so mild
war.
Hannu zum 11.? Weltcup zwei Monate vor Saisonende?
Zum Start des LL-Rennens erzählte der Streckensprecher es wären
jetzt noch 30 Athleten am Start. Wir fragten uns ob wohl einer aufgeben habe?
Hoffentlich keiner „unserer“ Finnen! Die Lösung des Rätsels folgte sogleich –
Matthias Menz war nach dem Springen wegen nicht regelkonformen Anzugs
disqualifiziert worden.
Lowi meinte dann, Jussi Hautamäki solle doch zu den Kombis gehen.
Hier gebe es häufiger Bewerbe mit nur 30 Startern – da habe er jedes Mal
automatisch Weltcuppunkte. Das Laufen könne er ja noch lernen...der
Skisprungteil müsse ihm ja auch liegen, bei den Kombis gibt’s ja mehr Anlauf
als bei den Spezialisten.
Als es dann endlich losging, schien das einzig spannende noch zu
sein, wann Hannu wohl die vor ihm gestarteten Läufer eingeholt haben würde? Wir
tippten auf die 10-km-Marke. Wir feuerten Hannu, Jouni, Janne und Antti
lautstark an und schwenkten die finnischen Fahnen, mein kleines Hannu-Plakat
flatterte in der Tiroler Winterluft.
Rund 10 Minuten nach dem Start kamen auch Jaakko und Anssi wieder
und begaben sich auf die über die Strecke führende Brücke um ihre
Mannschaftskameraden anzufeuern. Offenbar war dies aber nicht gestattet, denn
ein Ordner ging sofort daran, die beiden zu verscheuchen. Anssi machte einen
auf „Minä en ymmärrä saksaa/englantia/sinua“ (Ich verstehe kein
Deutsch/Englisch/dich nicht) und blieb stehen. Letzten Endes waren die beiden aber
erfolgreich verdrängt, und der Ordner, sich seiner Sache offenbar zu sicher,
verschwand von der Bildfläche. Dies nutzte Anssi gnadenlos aus und stand sofort
wieder oben, Hannu lautstark anfeuernd. Feststellung unsererseits – er kann ja
doch reden! *fg*
Nach einer Weile beschlossen die beiden (Jaakko und Anssi) sich an
die Strecke zu stellen. Zuerst standen sie uns direkt gegenüber, dann gingen
sie ein Stück weiter weg und quatschen dort ausgiebig mit Tino Edelmann,
welcher heute ebenfalls nicht am Start war.
Hannu kam immer weiter nach vorn, auch Antti arbeitete sich von
Platz 29 nach dem Springen nach vorn. Da schien einer um die letzte Chance in
der Olympiastaffel zu kämpfen... Janne hingegen kämpfte, es ist halt nicht so
leicht, mit 18 Jahren bei den Großen dabei zu sein. Seine Beine schienen schwer
zu werden, er sah leidend aus, immer weiter fiel Finnlands Jüngster zurück. Und
die Höhe (ca. 1200 m) kam ja auch noch dazu.
Wir konzentrierten uns auf die Finnen, genauer gesagt darauf, das
Moan hinter Hannu blieb. Sollte nämlich Hannu vor dem Norge ins Ziel kommen,
hätte er bereits zwei Monate vor Saisonende den Gesamtweltcup gewonnen.
Hannu war erneut bärenstark. Etwa bei Kilometer 10 oder 11 hatte
er „Bieles“ eingeholt, das Unternehmen Gesamtweltcupsieg nahm Formen an. Nun
war Hannu zusammen mit Todd Lodwick vorn.
Doch kurz vorm Ende der vorletzten Runde (also bei km 12,5) kam
das unausweichliche: Hannu’s Stock ging wieder einmal nach einem kleinen
Gerangel mit Todd Lodwick zu Bruch. Da aber blöderweise an dieser Stelle kein
Betreuer stand, musste Hannu notgedrungener Maßen so ca. 500m und somit auch
den steilen Anstieg, mit kaputtem Stock zurücklegen. Dennoch gelang es ihm sich
in diesem Anstieg von Todd abzusetzen. Kurz bevor es in die Abfahrt ging, bekam
er endlich von Jani Klinga den neuen Stock.
If you want to win – you have to take a
Finn!
Als das Rennen fast gelaufen war, gesellte sich noch Niniel zu
uns. Hannu lag vorn und wir begannen schon mal mit den ersten kleinen
Feierlichkeiten bezüglich Hannu’s Tages- und Gesamtweltcupsieg. Am Ende hatte
Hannu es tatsächlich geschafft, der dritte Gesamtweltcupsieg in Serie war in
trockenen finnischen Tüchern, der elfte Sieg in dieser Saison, der siebte in
Serie, der sechste hintereinander in Seefeld. Sehr erfreut waren wir auch über
Anttis Platzierung, hatte er sich doch tatsächlich zehn Plätze nach vorn
gearbeitet und war 19. geworden. Jouni wurde 22. und Janne 29., aber er hatte
sich tapfer durchs Rennen gekämpft.
Schließlich schritten wir zur Siegerehrung, die wir auf der
Videowand sahen. Frei nach der Devise „Helm ab zum Gebet“ nahmen wir die Mützen
zur Finnenhymne ab und lauschten ergriffen den Klängen von „Oi maamme“. Zur
Krönung des ganzen gab es noch ein kurzes Hannu-Interview, bereits das zweite
an diesem Tage. Die drei am Stockerl bekamen etwas das wie eine Blumenvase
aussah. Hannu sah das offenbar genauso und stopfte seinen Blumenstrauß umgehend
dorthinein. Todd wurde 2. und machte bei der Siegerehrung zu den Klängen von
„Born in the USA“ eine mächtige Show.
Als die Zeremonie vorüber war wollten wir noch Fotos von den
Finnen machen, aber außer einem Wachser (welcher übrigens den ganzen Tag mit
einer roten Schürze vor dem Bauch herumlief) ließ sich niemand sehen. Der
schleppte Skier, Kartons und Taschen heraus, aber es war niemand da um das
ganze Graffl in den danebenstehenden VW-Bus einzuladen. Dies veranlasste uns zu
der Aussage, die Finnen seien wohl der Meinung, in den letzten Jahren bei
Großereignissen eh kein Glück gehabt zu haben und daher war es ihnen wohl egal,
was vor Olympia mit ihrem Zeug geschah... der Weltcup war eingesackt, also
alles paletti.
Der Wachser hatte die anderen offenbar gewarnt dass wir immer noch
da seien und so kam niemand aus dem „sicheren“ Funktionsgebäude heraus. So
ließen wir die Finnen Finnen sein und wanderten zum Bahnhof um die Heimreise
anzutreten.
Lowi hatte Glück, ihr Zug fuhr wenige Minuten nach dem wir den
Bahnhof erreicht hatten. Ich dagegen weniger. Geschlagene 1,5 Stunden musste
ich noch warten...ich versuchte die Zeit mit einem kleinen Bummel durch die
Seefelder Fußgängerzone und langem in-der-Wartehalle-rumsitzen sowie
Haribo-futtern zu überbrücken. Der Zug war dann zum Glück pünktlich, auch in
München passte dann alles und so war ich um 22 Uhr endlich zu Hause. Todmüde
aber auch sehr glücklich über diesen wirklich perfekten Tag!
Nächstes Jahr soll der Weltcup in Seefeld am 20./21.01.07
stattfinden – und wir werden ganz sicher wieder mit dabei sein.